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9. Station | Vlidorix & Helvetische Einöde

Vlidorix gibt Tipps um das Rätsel der Helvetische Einöde. Die neunte Station der Oberschwäbischen Keltenstraße befindet sich auf dem Hochplateau Scharben bei Unteressendorf.

Die Stationbeschreibung findet man hier: “Keltenschanze Scharben“.

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© Till Adloff info@till-now.de

Hallo und willkommen hier oben! Ich bin Vlidorix, das soviel heißt wie, der Festkönig. Ja, ich komme ganz schön herum und habe ein Geheimnis für Dich! Es ist ein Rätsel an dem Deine Leute schon einige Zeit knabbern, ich weiß.

Eigentlich sollte Orgetorix Euch das erklären, aber er wird dabei immer so ärgerlich, schließlich wollte er die Helvetii mit anderen Stämmen vereinigen und ihr König werden. Doch sein Plan wurde verraten und so musste sich Orgetorix vor dem keltischen Gericht verantworten. Dank seiner Anhänger konnte er jedoch flüchten, doch der Weg mit dieser Schande konnte damals nur in einen Richtung führen – in den Selbstmord.

Im Übrigen schreibt ihr den keltischen Stammesverband immer falsch: Eigentlich ist es der Verband der Elvetii, aber damit ihr Euch nicht wundert, lass ich es bei Helvetien und den Helvetii.

Das Gebiet der Helvetii zog sich um 200 v. C. von nördlich der Donau im Schwarzwald bis ins heutige Württemberg, so berichtete es schon der römische Schreiberling Tacitus. Sie wurden von den Römern als friedlich und „goldreich“ eingeschätzt. Das Gebiet war ein beliebter Einwanderungsraum für die Kelten, die unter fremden Herren in der damals bekannten Welt kämpften oder im Mittelmeerraum Geschäfte machten. Auch gab es einige die in die Welt hinauszogen um sich woanders niederzulassen, auch sie kamen ins Gebiet der Helvetier zurück, wenn es aus welchem Grund auch immer nicht klappen wollte mit der Ferne.

Helvetien bestand aus vier Gäuen: Das Gau der Tingurini, der Verbigener, der Tougener und der Toutonen, oder verwechsele ich da was mit den germanischen Teutonen? Oder waren es die Anhänger des Teutates?

Ich möchte Euch ein paar Hinweise geben, zu den Geschehnissen, die zur helvetischen Einöde führten.

Helvetiis Auszug nach Süden

Die Römer nannten das Gebiet im südlichen Baden-Württemberg „Helvetische Einöde“, „Deserta Helvetiorum“, nach dem der Stammesverband der Helvetii fast geschlossen nach Süden gezogen ist. Die Stämme haben ihre Behausungen nicht nur verlassen, sondern auch niedergebrannt!

Erst kamen die nördlichen Stammesteile ins südliche Helvetien und dann ging es zusammen noch weiter gen Süden. Im Norden waren es wohl die Kimbern und Sueben, die durch Europa wanderten und die Kelten, respektive die Helvetier verdrängten. Sie setzten über den Rhein und zogen sich ins heutige Schweizer Voralpenland zurück, also das Gebiet zwischen dem Bodensee, den Alpen, dem Jura, dem Genfer See und dem Hochrhein.

Wir schreiben das Jahr 58 vor Christus, die Helvetier und ihre Verbündeten, die Tulinger, Latobriger, Rauriker, Boier, wollen nach Süden ziehen. Schon einige Jahre zuvor erschien der Suebenfürst Ariovist auf der Bühne und verbündete sich mal mit dem keltischen Stamm, mal mit dem anderen. Caesar ernannte ihn zum König seines Stammes und dennoch gab es einige Kämpfe zwischen den Sueben (Schwaben) und den Römern. Die Helvetii standen auf ihrem Siedlungstrip gen Süden ebenfalls vor den römischen Truppen, die ihnen den weiteren Marsch verboten. Zunächst fragte man ganz offiziell in Rom nach ob die Stämme durch das römische Gebiet ziehen dürften, aber es gab eine Ablehnung. Dann fragte man die Sequani (ein Stamm an der Seine) um Erlaubnis, was klappte.

Dann zog man einfach durch das Gebiet der Haeduer, also eigentlich Aedui. Sie waren als Freunde Roms eingestuft, was innerhalb der Kelten nicht unbedingt ein guter Ruf war. Caesar behauptete, die Haeduer hätten ihn angesichts der Helvetii zur Hilfe gerufen, aber wer weiß das schon genau? Caesar greift ein, bzw. die Helvetii an.

Schlacht bei Bibracte

Es war die erste Schlacht der Römer gegen die Kelten im Gallischen Krieg (bello gallico), auf die noch einige folgen würden. Aber die Helvetii hatten sich auch wie die Axt im bekannten Wald benommen, so hatten sie auf Ihrem Weg durch das Gebiet der Haduer teils die Felder geplündert und verwüstet.

Es kam also zu einer Schlacht zwischen den Römern unter Caesar und den keltischen Kriegern der Helvetii bei Bibracte, das noch öfter Schauplatz von Kriegen zwischen Römern und Kelten werden sollte. Bibracte war die “Hauptstadt” des keltischen Stammes der Haeduer und ist heute der Mont Beuvray bei Saint-Léger-sous-Beuvray, also im heutigen Frankreich.

Im Juni 58 v. C. standen sich die Armeen gegenüber. Auf der keltischen Seite standen, so übertreibt Caesar etwas, um 368.000 Leute, darunter über 90.000 Krieger unter der Führung des Tinguriner Divico, der Nachfolger von Orgetorix.

Auf römischer Seite standen sechs Legionen, eine Legion besteht aus 3.000 bis 6.000 Soldaten. Mit Hilfstruppen und Reiterei waren es so ungefähr 50.000 römischen Soldaten. Darunter sollen auch ostkeltische Söldner gewesen sein, so behaupten böse Zungen. Für Caesar ging es auch um eine Begleichung einer alten Rechnung: Im Jahr 107 v. C. gab es schon eine Schlacht zwischen den Helvetii, genauer den Tingurinern, und den Römern, wobei der Konsul Roms, der Vorsitzende des Senats, getötet wurde.

Um die Römer einzuschüchtern, schickten die Kelten einen alten Veteran des Krieges von 107 v. C. ins feindliche Lager. Man hoffte wohl, es würde die Römer beeindrucken, ihnen die Geschichten des Krieges von 50 Jahre zuvor zu erzählen und die keltische Überlegenheit zu unterstreichen. Doch es brachte nichts, am nächsten Tag begann das Kriegsgeheule.

Im Gegensatz zur alten Schlacht hatte sich etwas Entscheidendes geändert, die Römer hatten ihre Waffen und Strategie verbessert. Die Kelten hatten nur ein Schild und ein Schwert. Die Römer entwickelten Speere die vorne hart und hinten weich waren; traf ein solcher Speer den keltischen Schild, blieb er hängen, verbog er sich und das Schild war nutzlos geworden. Es konnte nicht mehr gehalten werden, so warfen die keltischen Krieger diese weg und rannten schutzlos auf die römischen Formationen zu.

Die Schlacht dauerte bis in die Nacht hinein und endete mit der Flucht der Helvetii, zurück nach Norden. Ein schlechtes Omen, damals schon! Caesar hatte sogar die Tochter des Orgetorix gefangen genommen. Der Siege genug, verzichtete Caesar darauf, die fliehenden Kelten zu verfolgen.

Von den Helvetii, so berichtet Caesar, überlebten nur 110.000 Menschen – rund ein Drittel der Helvetii, die ausgezogen waren um eine neue Heimat zu finden. Also gab es auf keltischer Seite auch hohe zivile Verluste. Ob die Zahlen so stimmen, oder ob Caesar sich in einem besseren Bild darstellen wollte, ist kaum zu sagen. Vermutlich stimmt die Hälfte der Zahlen.

Geschlagen zogen sich die Helvetii auf ihren letzten Standort zurück, der im Gebiet der heutigen Schweiz lag und nicht weiter nördlich, wie es Caesar befohlen hatte. In der helvetischen Heimat gab es ja nichts mehr, alles wurde von den Helvetii selbst abgefackelt.

Helvetische Einöde | Deserta Helvetiorum

Die Gebiete nördlich des Bodensees blieben auch nach der Niederlage nahezu unbewohnt, obwohl die Gegend aber in geringer Zahl ständig bewohnt war. Es blieb über 50 Jahre die helvetische Einöde. Bis zur römischen Invasion um 15 v. C. wird auch das Gebiet hier leer bleiben. Ganz war die Siedlungskette sicherlich nicht unterbrochen, aber die Besiedlungsdichte hatte sehr stark abgenommen. Einzig manche Fluss-, Berg- und Ortsnamen erinnern an die dichte keltische Besiedlung in dieser Gegend.

Oberschwaben und Ostbayern war ebenso zur Einöde geworden, berichten antike Chroniker. Das heißt aber nicht, dass hier die Helvetii lebten, vielleicht haben sich hiesige Stämme angeschlossen. Das Breisgau im damaligen Helvetien war wohl fast vollständig von den Menschen verlassen.

Die Römer hatten sodann auch keine Probleme diese Gegend zu kontrollieren; gab es überhaupt eine militärische Kontrolle? Denn es gab auch keine Aufstände der Kelten in Oberschwaben, oder allgemein südlich des Mains. Waren es zu wenig? Waren sie alle ausgeflogen? Warum eigentlich? Warum zogen überhaupt so viele Menschen aus ihrem angestammten Gebiet.

Thesen zum Auszug der Helvetii aus Helvetien

Einige sagen, es wäre der Druck der Germanen aus dem Norden gewesen. Das ist sicherlich ein Faktor, denn die Suebi waren wie Caesar mal sagte, nicht gewachsen, sondern gesät. Es waren einfach sehr viele die von Norden, vermutlich aus klimatischen Gründen, nach Süden zogen. Ging es den Helvetii ähnlich? Hat sich das Klima verändert, kam es zu Ernteausfällen?

Eine andere These, mit Blick auf die Tatsache, dass die Helvetii ihre Häuser und Felder niederbrannten, besagt, es gab eine Krankheit, die die Menschen aus ihrem Land fegte. Wenn man bedenkt, dass gerade die Helvetii das Rind so wichtig war, besonders als Opfertier. Das Zusammenleben von Tier und Mensch kann Krankheiten begünstigen. Denn es betraf ja nicht nur das Gebiet der Helvetii, sondern auch der Boii in Ostbayern oder Vindelici im Allgäu.

Hygieneartikel der KeltenDie Hygiene damals war auch eher bedenklich. Obgleich man gerade im Gebiet der Helvetii einige Hygieneartikel, wie Nagelschneider, Schermesser, Pinzetten, Ohrlöffel fand. Aber insgesamt stand es wohl eher schlimm um die Hygiene. In manchen Siedlungen, wo es keinen Müllschacht gab, warf man den Müll schlicht hinters Haus. Die Krankheiten folgten auf den Fuß. Dazu gehörten Augenkrankheiten, Eisenmangel, Bleivergiftung oder sogar Malaria. Vielleicht gab es damals eine andere Krankheit, die hoch infektiös war, vielleicht sogar die Pest? Aber es bedarf auch vieler Menschen auf engem Raum, und da gab es in Gallien mehr Städte, sogenannte Oppida, als in Helvetien. Das Verhältnis steht bei 200 Oppida in Gallien zu 12 in Helvetien.

Vielleicht gab es auch soziale oder andere Spannungen in dem Schmelztiegel Helvetien, ein Anlaufpunkt für Ideen auch aus dem Mittelmeerraum. Eine Fortsetzung der Auseinandersetzung seit der Latène-Zeit?

Ein weiterer Punkt, der nicht zu vernachlässigen ist, ist die Frage nach der Bevölkerungsdichte vor der Helvetischen Einöde. War es der materielle Reiz des Südens, Roms – der die Leute zum Aufbruch bewegte? Aber warum sind sie nach Westen und nicht nach Süden, direkt zu den Römern ausgewandert? Naja, vielleicht war das Land in Richtung Massalia (Marseille) interessanter?

Literaturverzeichnis

Die nächste Station der Oberschwäbischen Keltenstraße ist unter den folgenden GPS Daten zu finden: 47.923489,9.751465, 47.923489,9.751465 (Station 10) & 47.848967,9.838393 (Station 11)

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